Um den ökonomischen Erfolg eines Online-Shops oder der E-Commerce-Aktivitäten eines Unternehmens abzuschätzen, werden in der Praxis zahlreiche spezifische Kennzahlen verwendet. Um zunächst die wichtigsten Kenngrößen zu erfassen, wurde – in der Art der Visualisierung inspiriert durch das DuPont-Kennzahlensystem – von Prof. Stummeyer ein E-Commerce-Treiberbaum entwickelt, der das Zusammenspiel der Geschäftstreiber übersichtlich darstellt:
Die Darstellung folgt dabei der Logik eines generellen E-Commerce-Vertriebs. Ziel ist es, ein grundsätzliches Verständnis zu erreichen, welche Größen im E-Commerce eine wichtige Rolle spielen und wie diese zusammenhängen.
Diese E-Commerce-Kennzahlen sind dabei wie folgt definiert:
- Visits: Die Visits beschreiben die Anzahl der Besuche im Online-Shop. Die Besuche sind dabei von der Anzahl der Besucher zu unterscheiden. Ein Besucher kann in einem definierten Zeitraum auch mehrere Besuche tätigen. Die Besuche werden auch als Traffic bezeichnet.
- Conversion Rate: Die Conversion Rate, auch Konversionsrate, ist eine der wichtigsten Kennzahlen im E-Commerce. Sie beschreibt die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Besuch zu einer Bestellung führt. In der Praxis können auch weitere Conversion Rates für das Erreichen anderer Ziele definiert werden, z. B. für erfolgte Newsletter-Registrierungen oder Downloads einer Informationsbroschüre.
- Bestellungen: Durch die Multiplikation der Visits (Besuche) mit der Conversion Rate wird die Anzahl der Bestellungen in einem definierten Zeitraum errechnet.
- Warenkorb: Der Warenkorb gibt an, wie hoch der durchschnittliche Wert (netto, ohne Umsatzsteuer) einer Bestellung ist. Die Höhe hängt naturgemäß stark von der Produktkategorie und der Positionierung des E-Commerce-Angebots ab.
- Auftragseingang: Der Auftragseingang resultiert aus der Multiplikation der Anzahl der Bestellungen mit dem durchschnittlichen Warenkorb. Der Wert wird vor Stornos und Retouren angegeben, jedoch immer als Nettowert ohne Umsatzsteuer.
- Stornos: Wert der Aufträge, die durch Kunden zwar erteilt wurden, jedoch vom Händler nicht ausgeliefert wurden. Die Stornogründe können auf der Kundenseite (z. B. Stornierung wegen Falschbestellung) oder der Händlerseite (z. B. kein Bestand oder kein Zahlungseingang des Kunden bei Vorkasse) liegen. Bei einer Stornierung verlässt die Ware nicht das Lager des Verkäufers.
- Retouren: Wert der Aufträge, die versendet wurden und vom Kunden zurückgeschickt wurden. Die Retourengründe sind dabei vielfältig, z. B. nicht passende Konfektionsgröße, andere Qualitätserwartung oder Auswahlbestellung des Kunden. Die Höhe der Retourenquote hängt stark von der Produktkategorie ab und kann bei Kleidung und Schuhen regelmäßig auch 50 % betragen. Bei technischen Produkten oder Büchern beispielsweise ist sie zumeist deutlich niedriger.
- Umsatz: Der Umsatz im E-Commerce wird berechnet, indem vom Auftragseingang der Wert der Stornos und Retouren subtrahiert wird. Auch diese Größe wird immer als Nettoumsatz ohne Umsatzsteuer angegeben.
- Wareneinsatz: Der Wareneinsatz repräsentiert die Summe aller im Analysezeitraum verkauften Produkte, bewertet mit dem Einstandspreis inklusive der Warenbezugskosten.
- Rohertrag: Umsatz im definierten Zeitraum subtrahiert um den entsprechenden Wareneinsatz.
- Variable Kosten: Die variablen Kosten im E-Commerce sind Kosten, die den Bestellungen und dem Umsatz direkt zugerechnet werden können. Sie umfassen insbesondere die Werbekosten, die Paymentkosten und die Logistikkosten, die anfallen, um die Bestellungen zu generieren und auszuliefern.
- Werbekosten: Kosten für Werbung, im E-Commerce insbesondere die Kosten, um Besuche, also Traffic, auf den Online-Shop zu bringen.
- Paymentkosten: Kosten des Zahlungsverkehrs, z. B. Gebühren für Kreditkartenzahlungen oder Paypal.
- Logistikkosten: Alle Kosten, um die verkauften Produkte einzulagern, für den Versand zu kommissionieren und an den Kunden zu versenden (z. B. auch Kosten für Verpackungsmaterial und Kosten für Versanddienstleister) sowie die Kosten für Retouren (z. B. Rückversandkosten, Handling).
- Deckungsbeitrag I: Der Deckungsbeitrag (DB) I entspricht dem Rohertrag im definierten Analysezeitraum subtrahiert um die variablen Kosten
Der DB I ist dabei allerdings nur die erste Kenngröße, um den ökonomischen Erfolg der E-Commerce-Aktivitäten abzuschätzen. Im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung müssen dann stets weitere, dem E-Commerce zurechenbare Kosten (z. B. Kosten für Entwicklung und Betrieb des Online-Shops, Kundenservice für E-Commerce-Kunden) sowie entsprechende Anteile der Gemeinkosten des Unternehmens berücksichtigt werden.
Die folgende Abbildung zeigt einen beispielhaften Treiberbaum mit Zahlen:
Quellennachweis:
Der E-Commerce-Treiberbaum und die Erläuterungen wurden dem folgenden Artikel entnommen: Stummeyer, C.: Ökonomische Analyse des Amazon Marketplace-Geschäfts, in: Stummeyer, C. und Köber, B. (Hrsg.): Amazon für Entscheider – Strategieentwicklung. Implementierung und Fallstudien für Hersteller und Händler, Wiesbaden 2020.
In diesem Artikel findet sich auch ein weiterer Treiberbaum, der den Vertrieb über Amazon zahlenmäßig erfasst.